27. 02. 2022

Blick in die Feuilletons – Interview auf SRF2

Interview mit Monika Binkert in der Sendung Blick in die Feuilletons auf Radio SRF2

vom 22. Februar 2022

Zum Beitrag von Beitrag von Felicitas Holzer Rettet das deliberative Prinzip!, Philosophie Magazin Februar 2022

Was vernünftig ist, steht in einer Demokratie nicht von vornherein fest, sondern ist Gegenstand der Auseinandersetzung. Dieses deliberative Prinzip ist durch die Corona-Pandemie in Gefahr geraten – und damit die Demokratie selbst ... Lesen Sie den ganzen Artikel von Felicitas Holzer.

 

05. 05. 2019

Über die Kunst des Perspektivenwechsels

1. Kulturplatz Gockhausen 5. Mai 2019 // Beitrag Monika Binkert

Über die Kunst des Perspektiven-Wechselns

ANGENOMMEN, wir wären Meisterinnen und Meister im Perspektiven-Wechseln: Wir wären Meister*innen darin, die Dinge in der Welt und uns selbst von ihren unterschiedlichsten Seiten her zu betrachten – von vorne, hinten, unten, oben, von der Seite, im schiefen Winkel und so weiter. Wir wären Meister*innen darin, unser Leben in all seinen Facetten und Dimensionen wahrzunehmen und zu erfahren.

Wie sähe die Welt dann aus? Wie sähen die Lösungen für die Themen in unserer Welt und in unserem eigenen Leben aus? Wie würden wir uns selbst erleben, wie unsere Beziehungen zu anderen Menschen – zu unseren Liebsten, Freundinnen, Nachbarn?

Gerne lade ich Sie zu einer kleinen gedanklichen Reise rund um die Kunst des Perspektiven-Wechsels ein, zu ein paar Reflexionen, wie wir unser Leben und unsere Beziehungen auch noch erfahren könnten.

Unsere Perspektive – also unsere Vorstellungen, unsere Überzeugungen von Gut und Schlecht, Richtig und Falsch, unser Bild vom Mensch-Sein, unser Bild von der Welt überhaupt – bestimmt ganz entscheidend unser Fühlen, Erleben, Wollen und Handeln.

Oft sind wir uns unserer Perspektive gar nicht bewusst. Sie ist uns so nahe, so eigen, so selbstverständlich und so vertraut, dass wir sie kaum wahrnehmen. Und gleichwohl hat sie eine enorme Kraft. Sie agiert wie ein Filter, sortiert unsere Gedanken und steuert unsere Empfindungen unmittelbar.

Woher kommt dieser Filter – diese Perspektive? “Our perception is the reflection of our history.” Übersetzt: “Unsere Wahrnehmung ist das Spiegelbild unserer Geschichte.“, sagt der Systemforscher Peter Senge. Oder wie die Psychologin Christa Maria Gerigk sagt: „Unsere Gedanken fliessen durch die Erinnerungen.“

Unsere Perspektive also als Ergebnis und Ausdruck unserer Geschichte, Muster und Gewohnheiten; sie spiegelt Vergangenes, Gelerntes und Eingeübtes.

Dazu möchte ich Sie gerne zu einem ersten EXPERIMENT einladen. EXPERIMENT N° 1 (live Demo)

Ich vergleiche unsere Perspektive gerne mit einem Gebäude, das wir im Laufe der Zeit konstruieren. Ein GedankenGEBÄUDE – voller Annahmen und Interpretationen darüber, WER wir sind, WIE wir sind, WIE die Welt ist und WIE sie funktioniert. Wir erzählen uns selbst und anderen fortwährend über dieses Gebäude, entwickeln so unser eigenes Narrativ, unsere eigene Geschichte über uns und die Welt. Und so hören wir uns sagen:

«Ich bin eine schlechte Schläferin.»
«Ich bin ein schlechter Redner.»
«Ich bin ein ungeduldiger Mensch.»
«Ich bin entscheidungsgehemmt.»
«Ich bin beziehungsunfähig.»
«Ich bin oft knapp bei Kasse.» «Ich bin, ich bin, ich bin ...»

Gedanken – ob bewusst oder unbewusst – formen und beeinflussen die Wirklichkeit, d.h. mit unserem Gedankengebäude gehen wir in Resonanz mit der Welt. Und mit jedem Erzählen wird unser Gebäude stabiler – bis wir selbst das Gebäude sind und es Wirklichkeit wird. So reproduzieren wir uns in der immer gleichen Weise und erzeugen wieder und wieder gleiches Erleben. Ein Kreislauf, ein Irrkreis, der uns in den immer gleichen Mustern, im immer gleichen Trott gefangen hält und ganz offensichtlich kaum Entwicklung zulässt und.

Wie könnte es uns gelingen, uns von dieser begrenzenden Perspektive zu lösen, uns von unseren Selbstzuschreibungen, Konzepten und der Schwerkraft des Gewohnten zu befreien, Muster zu durchbrechen und über den berühmten eigenen Tellerrand hinaus zu blicken?

Hier nun kommt die Kunst des Perspektivenwechsels ins Spiel. Eine Kunst, die zunächst ganz wesentlich darin besteht, die Annahmen und Überzeugungen in unserem Denken zu überprüfen. In einem ersten Schritt könnte das dann ganz einfach heissen:

„ICH BIN NICHT NUR DAS, WAS ICH DENKE – ICH BIN VIEL MEHR, ALS DAS, WAS ICH DENKE.“

Damit schaffen wir zunächst natürlich Verwirrung und wir fragen uns: WER sind wir dann? WIE sind wir dann? WIE funktionieren wir dann?

Plötzlich mehr Fragen als Antworten zu haben ist ungewohnt, ja anstrengend – im Grunde aber ein idealer Zustand, der uns hilft, Schritt für Schritt in neue Dimensionen vorzudringen.

Wenn wir wieder an unser Gedankengebäude denken, dann könnte das heissen, dass wir damit beginnen, unser Gebäude anders zu denken, dieses umzugestalten, zu modernisieren und mit neuen Räumen zu ergänzen.

Wenn wir unser Gebäude neu modellieren, gehen wir anders in Resonanz. Es werden neue Blickwinkel möglich, neue Räume erschliessen sich uns – auch Wahrnehmungs- und Erlebnisräume ausserhalb der Logik unseres gewohnt-rationalen Denkens. Wir schaffen neue Zugänge über unsere Empfindungen, über unsere körperlichen und sinnlichen Wahrnehmungen, über „multisensorisches Erleben“. Statt den immer gleichen Mustern öffnen wir uns den Tausenden von anderen Möglichkeiten, wie wir das Leben auch noch erfahren könnten. Wir gewinnen neue Freiheiten und werden uns – so nebenbei – unserer enormen Gestaltungskraft bewusst.

Denken formt und konstruiert unsere Wirklichkeit. Ständig. Weshalb also unser Denken nicht in eine konsequent stärkende, wertschätzende, liebevoll-annehmende Richtung lenken? Weshalb unsere Vorstellungen und Erwartungen statt vergangenheitsbezogen und an Defiziten orientiert nicht auf ein komplett positiv «getuntes» Bild der Gegenwart und Zukunft ausrichten? Dazu ein weiteres EXPRIMENT, zu dem ich Sie gerne einladen möchte.

Bitte nehmen Sie drei tiefe Atemzüge und schliessen Sie beim dritten Mal die Augen: Ich möchte Sie nun bitten – jede und jeder für sich in Gedanken:

SICH ALS GESCHENK FÜR DIESE WELT ZU BETRACHTEN. ALS ANERKENNUNGSWÜRDIGES UND WERTVOLLES GESCHENK ALS BEDINGUNGSLOS WERTVOLLES GESCHENK FÜR DIESE WELT.

Wie fühlt sich das an? Wie fühlt es sich an, wenn ich mich als Geschenk für diese Welt betrachte? Welche Gefühle und Empfindungen stellen sich ein? Stellen Sie sich nun in Gedanken vor, Sie würden aufstehen und in diesem schönen Raum umhergehen: Wie gehe ich, wenn ich mich als Geschenk für diese Welt betrachte – welche Haltung nehme ich ein? Was verändert diese neue Betrachtung in mir?

Ich lade Sie herzlich ein, sich in dieser Betrachtung zu üben, sie häufiger anzustellen, bis sie sich stabilisiert und zu einem Teil Ihres Gebäudes wird. Freuen Sie sich schon heute darüber, welche Wenden und Entwicklungen sich in Ihrem Leben einstellen, welche Fülle und Momente der Freude Sie erfahren werden.

Perspektivenwechsel sind eine enorm wertvolle Ressource für Veränderung und persönliches Wachstum. Diese Ressource können wir aber nicht nur in uns selbst finden, sondern auch im Miteinander mit anderen Menschen. Wir können uns in unseren Perspektiven vernetzen, um Dinge gemeinsam anzugehen.

Wenn wir in Beziehung gehen und uns gegenseitig für die Perspektive des anderen öffnen, dann tut sich ein weiteres riesiges Feld an Möglichkeiten auf, die – quasi potenziert – regelrechte Entwicklungssprünge möglich machen.

Dieses in Beziehung-Gehen können wir noch radikaler denken. «Der Mensch wird erst im Du zum Ich.», schrieb der Theologe und Philosoph Martin Buber und nahm den Austausch zwischen den Menschen zum Ausgangspunkt des Mensch-Seins und menschlicher Entwicklung. «Alles wirkliche Leben ist Begegnung.», schrieb Buber. «Die fremden Teile in mir erkenne ich nur im Du und Wir.» und «ohne Dialog entferne ich mich von mir selber». Selbstentfaltung und wahrhaftig sein sind nur in der Beziehung mit anderen Menschen möglich, mein «Ich» kann ich erst im «Du» und «Wir» erfahren.

Die Welt also ein Beziehungsphänomen? Begegnung und Dialog als Prämissen des Mensch-Seins überhaupt? In Beziehung-Sein fordert uns jedenfalls zum ständigen Perspektivenwechsel auf. Und die Kunst darin wird dann zu dem, was wir EMPATHIE nennen.

Und das bringt mich zum dritten und letzten EXPERIMENT.

Stellen Sie sich vor, Sie treffen die Annahme, sich als Geschenk für diese Welt zu betrachten, nicht nur für sich selbst, sondern auch für Ihr Gegenüber – das ginge dann etwa so:

WEIL MEIN GEGENÜBER EBENFALLS EIN GESCHENK FÜR DIE WELT IST, BETRACHTE ICH ES ALS GLEICHERMASSEN WERTVOLL UND ANERKENNUNGSWERT. ICH KONZENTRIERE MICH AUF DIE POSITIVEN ASPEKTE DES ANDEREN, WEIL ES DAS LEBEN EINFACH UND LEICHT MACHT UND: WEIL ES SO EINFACH MEHR FREUDE MACHT. 

Ich lade Sie herzlich ein, sich auch in dieser Betrachtung zu üben.

Weitere Quellen: Arno Gruen, Der Verlust des Mitgefühls, 6. Auflage, 2005, München; Natalie Knapp, Der Quantensprung des Denkens, 2011, Hamburg; Gunther Schmidt, Symphonien mit allen Sinnen, Rede 2014 in Heidelberg, Steve de Shazer, Der Dreh, 13. Auflage 2015, Heidelberg; Jiddu Krishnamurti, Schöpferische Freiheit, 5. Auflage, 2017

Monika Binkert

28. 04. 2019

Visionen verwirklichen, Ziele erreichen

«Visionen entwickeln, Ziele erreichen» lautete der Titel meines Referats, das ich – angereichert mit Experimenten zum Thema – im April bei den Wybernet Businessfrauen in Zürich gehalten habe. Ausgehend von meiner Coaching-Praxis habe zunächst darüber gesprochen, wie stark wir als Menschen in unseren Selbstzuschreibungen gefangen sind, in unserem – zumeist Defizit-orientienten – Selbstkonzept, das wir im Laufe der Zeit «konstruiert» haben.

Wenn wir uns weiter entwickeln und unsere Träume, Wünsche, Visionen und Ziele verwirklichen und erreichen wollen, ist eine Öffnung und ein Ausbrechen aus diesen Fixierungen entscheidend. Öffnung heisst, neue Sichtweisen entwickeln, um uns selbst und die Welt mit anderen, neuen Augen zu betrachten.

In meinem Input zeige ich drei nützliche Zugänge auf, wie solche Perspektivenwechsel möglich sind: erstens die Lösungsfokussierung als Haltung und Methode, die konsequent die Konstruktion der Wunschzukunft fokussiert und nicht etwa die Erkundung von Problemen oder negative Erfahrungen, zweitens Embodiment als Hilfe zur Aktivierung positiver Erlebnismuster und Stärkung der Selbststeuerungskompetenz und drittens der Dialog mit unserem Gegenüber und unseren Mitmenschen, der uns darin unterstützt, weitere Möglichkeitsräume zu öffnen und unsere Perspektiven zu erweitern.

Hier geht's zu den Slides meines Referates

Monika Binkert

11. 05. 2018

Arbeitswelt 4.0 – Transformation step by step (Teil III)

In den vorangehenden Blog-Beiträgen Teil I und II zum Thema Arbeitswelt 4.0 habe ich über die neuen Anforderungen in den Organisationen und der Führung geschreiben, über die neue Paradigmen und die Transformation weg von der klassischen Pyramidenstruktur hin zu flexiblen, fluiden Netzwerkorganisationen.

Wie nun vorgehen, wenn Sie sich entscheiden, mit Ihrem Unternehmen in die Transformation zu gehen? Für den Transformationsprozess gilt vieles, was wir bereits vom Gestalten von Change-Prozessen her kennen. Der Prozess kann grob in folgende Phasen unterteilt werden:

  • Ausgangslage gründlich analysieren, insbesondere die Unternehmenskultur untersuchen und Bewusstsein für die Notwendigkeit der Veränderung schaffen.
  • Visioning und vertiefte, breit abgestützte Auseinandersetzung über das Wunschszenario der eigenen Zukunft und der Sinne der Organisation: Was heisst neues Arbeiten für uns? Wie soll unsere eigene Arbeitswelt aussehen? Wie wollen wir unsere eigene Zukunft gestalten?
  • Die Umsetzung der Vision projektieren und in gut «verdaubare» Arbeitsschritte etappieren
  • Kurzfristige Erfolge realisieren («low hanging fruits»), die Vorteile der Transformation für alle spürbar werden lassen und Erfolge feiern
  • Einen hohen Energielevel für die Umsetzung sicherstellen, die Debatte über die Wunsch-Zukunft lebendig halten
  • Erfolge anerkennen und wertschätzen, integrieren und in der Organisation verankern, zu einer lernenden und agilen Organisation heranwachsen.

Das Gelingen der Transformation ist in erster Linie ein Kulturthema, d.h. ausgerechnet der schwer zu greifende weiche Faktor «Kultur» ist ausschlaggebend für den erfolgreichen Veränderungsprozess. Der kulturellen Dimension des Transformationsprozesses ist deshalb von Beginn an maximale Aufmerksamkeit zu schenken, also bereits in der Analyse-Phase. Hilfreich könnte hier ein «Culture Check» im Sinne einer Selbsteinschätzung sein, zu welcher die verschiedenen Teams im Unternehmen eingeladen werden. Mit dem «Culture Check» können Sie die «Betriebstemperatur» in kulturelleer Hinsicht messen: Es werden verschiedene Perspektiven, mögliche Differenzen und SOLL-/IST-Gaps sichtbar – wertvolle Erkenntnisse, die in die Gestaltung des weiteren Prozesses integriert werden können. Hier eine Vorlage für den „Culture Check".

Es empfiehlt sich womöglich, die im Tool «Culture Check» aufgeführten Kriterien auf nurmehr 4-6 oder 10 zu reduzieren, um den Prozess nicht zu überladen. Gerade der für das Gelingen wichtige kulturelle Change benötigt Zeit. Je nach Ausgangslage im Unternehmen rate ich zu einem Vorgehen step by step: vorerst «kleine Brötchen» backen, statt den Big Bang ankündigen, ohne Taten folgen zu lassen; sich lieber in kleinen Schritten üben, dafür mit einer hohen Verbindlichkeit und einer konsequenten Haltung. Authentisch, vorwärtsorientiert, mutig und zuversichtlich.

GO FOR IT!

Monika Binkert

27. 04. 2018

Arbeitswelt 4.0 – Evolutionäre Organisationen (Teil II)

Um in der sich verändernden Arbeitswelt erfolgreich zu sein, benötigen wir neue Paradigmen in Organisation und Führung; neue Denkweisen und Leitvorstellungen, welche die Voraussetzungen schaffen, mit der wachsenden Komplexität und dem neuen Speed adäquat umzugehen. Vgl. dazu den vorangehenden Blog-Beitrag Teil I.

In seinem viel beachteten Buch «Reinventing Organizations» untersucht Frederic Laloux*, ehemaliger Associate bei McKinsey & Company und heutige Berater und Coach, Organisationsmodelle im Laufe der Evolution. Dabei beschreibt er insbesondere die von ihm erforschte, evolutionäre Organisation als zukunftsweisendes Paradigma.

Laloux' Buch ist in seiner Gründlichkeit und konsequenten Denkweise bemerkenswert. So stellt der Autor in traditionellen Organisationsformen eine Trennung zwischen Seele und Ego fest und schreibt eine Vielzahl an Missständen in heutigen Unternehmen wie bürokratische Regeln, Intransparenz, Silodenken, Konfliktverdrängung etc. dem Handeln ängstlicher Egos zu. Und an anderer Stelle ist zu lesen:

«(...) In den meisten Organisationen heute suchen wir Trennung, weil wir glauben, dass wir darin Sicherheit finden. (...) Wir tragen eine Maske, manchmal solange, bis wir selbst glauben, dass wir eine Maske sind. Am Arbeitsplatz ist diese Maske oft mental, rational, maskulin und selbstbezogen. Wir trennen uns von unseren Emotionen, unseren Intuitionen, unserem Körper und unserer femininen Seite. Wir beachten unsere innere Stimme, unser Sehnsüchte, unsere Berufung, und unsere Seele nicht mehr (...).» **

In der Perspektive des Mainstreams klingen hier komplett neue Töne an, mit einer Wortwahl und Betrachtung, die in umfassender Weise auf das Mensch-Sein Bezug nimmt und auch die spirituelle Dimension von Organisation und Führung anklingen lässt.

Auf der Basis seiner empirischen Studien entwirft Laloux als nächsthöhere organisationale Entwicklungsstufe das Modell der integralen evolutionären Organisation. Neben evolutionären Praktiken ist der kulturelle Aspekt dieses Organisationsmodells entscheidend. Als wesentliche Kulturmerkmale der evolutionären Organisation beschreibt Laloux:

  • Selbstführung – key words:
    Vertrauen gepaart mit dem Verzicht auf die klassischen hierarchischen Pyramidenstrukturen, Freiheit und Verantwortlichkeit, volle Transparenz in Bezug auf die Geschäftsinformationen, kollektive Intelligenz, offene Feedbackkultur
  • Ganzheit – key words:
    Gleichwertigkeit in der Differenz, Agieren aus einer Haltung der Fürsorge, Liebe, Anerkennung, Dankbarkeit, Neugier, Spass, Verbundenheit, Lernen und persönliches Wachstum, eigenverantwortliche und konstruktive Konfliktlösung
  • Sinn – key words:
    Jede Organisation hat ihre eigene Seele und ihren Sinn, Reflexion über die je eigene Berufung und Seele, Rückbindung des Ego, Fokussierung auf den Sinn der Organisation, Profite als Folge des Fokus auf den Sinn

Beeindruckend sind die Beispiel-Unternehmen in Europa und USA, die Laloux als evolutionäre Organisationen identifiziert hat. Die Bandbreite dieser Organisationen reicht von einer großen Firma aus dem Energiesektor in den USA (AES, 40.000 MA), über eine ambulante Pflegeorganisation in den Niederlanden (Buurtzorg, 7.000 MA), einen metallverarbeitenden Betrieb in Frankreich (FAVI, 500 MA) bis zu Patagonia (Funktionsbekleidung, USA, 4.000 MA). Dass diese Organisationen auch am Markt sehr erfolgreich sind, zeigt der Autor in seinem Buch eindrucksvoll auf.

Es ist bemerkenswert, wenn Unternehmen sich auf den Weg hin zu einer evolutionären Organisation machen. In der Stadt Zürich geht die Spitex Zürich Limmat, die grösste – als gemeinnützige AG organisierte – Spitex-Organisation auf dem Platz mit gutem Beispiel voran. Für die Organisation arbeiten rund 950 Mitarbeitende, die sich für das Wohl von etwa 6500 Kundinnen und Kunden engagieren. Spitex Zürich Limmat ist Anfang 2018 mit einem Pilotprojekt in einem der neun Zentren gestartet und erprobt seither mit Erfolg das evolutionäre Paradigma.

Wie die Zürcher Spitex-Organisation sind viele andere Unternehmen höchst inspiriert und mutig unterwegs. Sie alle nähren die Hoffnung auf eine ganzheitliche, an den Menschen orientierte Entwicklung der Unternehmen und Organisationen.

* Frederic Laloux, Reinventing Organizations. Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit, München 2015

** S. 191 ebenda

Text: Monika Binkert
Bild: Christof Vetsch

 

28. 02. 2018

Arbeitswelt 4.0 – Neue organisationale Paradigmen (Teil I)

Die Digitalisierung der Arbeitswelt ist in vollem Gange. Wir stecken mitten im Wandel von der alten in eine neue Arbeitswelt. Das Thema erfährt gerade in dieser Zeit medial eine hohe Aufmerksamkeit. Zu Recht. Denn die Auswirkungen der Algorithmen-gesteuerten Automatisierung, von künstlicher Intelligenz (KI), Roboterisierung etc. sind enorm, deren wahres Ausmass in der Arbeitswelt und gesamtgesellschaftlich noch kaum absehbar.

Die Zukunftsszenarien der Arbeitswelt 4.0 werden unterschiedlich reflektiert: hier als Segen, dort als Fluch, als wertschöpfender Prozess oder reine Jobvernichtungsmaschinerie, als Utopie oder Dystopie. Einen lesenswerten Beitrag hat dazu jüngst die ZEIT unter dem Titel «Was machen wir morgen?» in ihrer Ausgabe vom 26. April 2018 publiziert*.

Auch in der Organisations- und Führungsentwicklung bringt die Digitalisierung grundlegende Veränderungen. Die disruptiven Technologien, der neue Speed, die 360°-Vernetzung von Systemen etc. überfordern die tradierten, hierarchisch strukturierten Organisationssysteme und bisherige Führungskonzepte komplett. Weil zu starr und träge, zu einseitig «transaktional» und zu wenig intelligent. Die klassische Führung, die primär auf Zieldefinition, Leistungskontrolle, Belohnungs- und Bestrafungssysteme setzt, ist passé.

Nur in flexiblen, cleveren, weitgehend selbstorganisierten fluiden Netzwerken und Strukturen agierende Unternehmen werden imstande sein, die digitalen Herausforderungen mit Erfolg zu meistern. Agilisierung der Organisation ist das Gebot der Stunde.

Und dies ist im Grunde eine gute Botschaft. Denn Agilität stellt sich nicht über kontrollierende, top-down organisierte Führungssysteme her, sondern — im Gegenteil — nur über Vertrauen in die Menschen in der Organisation und über eine Kultur auf Augenhöhe, in der Rollen und nicht Funktionsbezeichnungen zählen.

Am diesjährigen New Work Experience-Event von XING hat Heike Bruch, Professorin und Direktorin des Instituts für Führung und Personalmanagement der Universität St. Gallen, zu Leadership 4.0 sehr Interessantes gesagt**. Sie stellt fest, dass bislang weniger als 10% der Unternehmen ihre Organisation erfolgreich transformiert haben. Die Mehrheit der Grossunternehmen befänden sich auf dem Weg, während bei den KMU die Streuung sehr gross sei: Rund drei Viertel der KMUs würden noch nach den Mustern der alten Arbeitswelt agieren.

Als Merkmale der Arbeits- und Führungskultur 4.0 und als Voraussetzungen für den erfolgreichen Umgang mit Speed nennt Heike Bruch insbesondere:

  • Eine inspirierende Führung mit Sinn und Vision
  • Eine Führung, die Raum für Mitsprache gewährt und bereit ist, ihr Machtmonopol loslassen
  • Verbindliche Kulturregeln, die gute Arbeitsbeziehungen und eine hohe Teamorientierung ins Zentrum stellen
  • Flexible Strukturen und agile Arbeitsmethoden
  • Die Auswahl der richtigen Mitarbeitenden, nämlich solche, die die Kultur und Werte der Organisation verkörpern und die über eine hohe Selbststeuerungsfähigkeit verfügen.

In organisationaler Hinsicht könnte das neue Arbeiten also eine Enthierarchisierung mit sich bringen und neuen Möglichkeiten der Selbstorganisation und Selbstbestimmung den Weg ebnen. Das für Menschen grosse Frustrations- und Resignationspotenzial in klassisch-hierarchsich geführten Organisationsstrukturen könnte sich reduzieren. Gleichzeitig gewinnen Ganzheitlichkeit und Sinnorientierung an Bedeutung. Für Mitarbeitende und Führungskräfte in den Unternehmen und Organisationen sind das in der Tat good news!

*  Vgl. «Was machen wir morgen?», Die ZEIT, 26.04.2018

** Vgl. Referat von Heike Bruch am New Work Experience-Event von XING vom 06.03.2018 

Monika Binkert

20. 11. 2017

Kunststück Arbeit – eine Einladung zu ungewohnten Erfahrungen oder:

für einmal in eigener Sache.

Die Welt scheint sich jeden Tag schneller zu drehen. Die Anforderungen an die Unternehmen, Organisationen und ihre Menschen steigen und verändern sich. Neue Kompetenzen sind gefragt, die in klassischen Seminaren kaum zu vermitteln sind, allen voran: der Umgang mit Unsicherheit und Ambivalenz, Krisenbewältigung, Innovationsfähigkeit, Agilität, Lernfähigkeit, Reflexion.

Kunststück Arbeit lädt ein zu neuen, ungewohnten Erfahrungen. Kunst als Metapher und Spiegel, als Katalysatorin von Entwicklungsprozessen, als Türöffnerin und Wegbereiterin für kreative und innovative Lösungen.

Im Seminar Kunststück Arbeit, das ich zusammen mit einer Kunstpädagogin und einem Filmer und Videocoach anbiete, arbeiten Teams mit Mitteln der Kunst. Sie stärken ihre Kompetenzen im Wahrnehmen und Schärfen, im Querdenken, selbstorganisierten Arbeiten, dynamischen Vernetzen und agilen Denken und Handeln.

Mehr unter kunststueckarbeit.ch

Text: Monika Binkert
Bild: Christof Vetsch

14. 10. 2017

Intuitives Fügen von Dingen – die Bilder von Christof Vetsch

Aus zahlreichen Gesprächen mit Christof Vetsch zu seinen Werken hat sich eine schöne Zusammenarbeit zu meinem Blog ergeben, bei dessen Gestaltung er mir einzelne seiner Arbeiten zur Verfügung stellt.
 
Christof Vetsch arbeitet seit einigen Jahren mit Objekten. Es entstehen einerseits Installationen, andrerseits Anordnungen, welche bei neueren Arbeiten meist mittels Mobilekamera festgehalten und teilweise bearbeitet werden.
 
Zentral ist bei Christof Vetschs Werk das intuitive Fügen von Dingen, welche von ihrer eigentlichen Bedeutung befreit sind, um sie dann in neue Zusammenhänge zu setzen. Es entstehen nahezu abstrakte Stillleben bis hin zu kleinen Inszenierungen, mit der Nachvollziehbarkeit und Disziplin einfacher Gesten.
 
Christof Vetsch zielt auf eine Form des Begreifens/Verstehens, welche er als Unschärferelation bezeichnet. Sieht man das eine scharf, verschwindet das andere. Gelingt es, die Unschärfe auszubalancieren, kann sich eine neue Sichtweise ergeben, kann sich eine weitere Ebene eröffnen.
 
Die im Blog verwendeten Bilder zeigen teils nurmehr Ausschnitte. Die Bilder in Originalgrösse und weitere Bildern von Christof Vetsch fiden sich hier.
 
Monika Binkert
28. 09. 2017

seif AWARD for social entrepreneurship 2017 – LAUDATIO

SEIF AWARD FOR SOCIAL ENTREPRENEURSHIP 2017 – LAUDATIO

gehalten von Monika Binkert am 28.09.2017 im Volkshaus Zürich

Liebe Finalistinnen und Finalisten, liebe Freundinnen und Freunde von seif

Wenn eine gehörige Portion wissenschaftlicher Neugier und fundiertes Ingenieurwissen aufeinander treffen. Wenn Innovationskraft, Kreativität und ein ausgeprägter Sinn für soziale Verantwortung dazu kommen. Und wenn hinter diesem Fünfklang eine Powerfrau mit Drive und Biss steckt, dann: können wir uns auf etwas gefasst machen - dann kann Aussergewöhnliches entstehen.

Genau dieser Mix an Kompetenzen, Qualitäten und Power steckt hinter dem diesjährigen seif Award Winner for social entrepreneurship.

Im Zentrum des Winner-Projekts steht eine ziemlich geniale Erfindung: Darauf muss MANN erst kommen. Es brauchte wohl eine FRAU, um diese Neuschöpfung hervorzubringen: Eine junge Frau, Wirtschaftsingenieurin und Klimatechnikerin, aktive Umweltschützerin, neugierig, über den Tellerrand ihres Fachs blickend, vor allem ausdauernd, hartnäckig und mit einem langen Atem.

Eine coole Erfindung im wahrsten Sinne des Wortes: Der Kühlschrank, der ohne Strom funktioniert. Der Kühlschrank, der – kontra jede Intuition – Wärme benötigt, um Kälte zu erzeugen.

Nun wissen Sie sicherlich, von wem die Rede ist: Die Gewinnerin des seif Awards 2017 ist: COOLAR – Julia Römer und ihr Team aus Berlin. Ganz herzliche GRATULATION!

Der social Impact des COOLAR-Kühlsystems ist unermesslich:

  • Wenn verhindert werden kann, dass Medikamente und vor allem Impfstoffe mangels Kühlung verderben, dann können Menschen in Regionen, die keinen Zugang zu Strom haben - potenziell sind das rund 1 Mrd Menschen auf unserem Erdball – von einer deutlich verbesserten Gesundheitsversorgung profitieren.
  • Auch in der sog. westlichen Welt könnte das COOLAR-Kühlsystem vielseitig zum Einsatz kommen (in Haushalten, in der Transportlogistik, Landwirtschaft etc.) und zu einer weit klimafreundlicheren und CO2-ärmeren Kühlung führen.

Der Mini-Prototyp und inzwischen auch der grosse Kühlschrank-Prototyp mit einem Fassungsvermögen von 180l haben den Härte- oder besser Kältetest bestanden.

Dies stimmte die Jury im Hinblick auf eine erfolgreiche wirtschaftliche respektive kommerzielle Nutzung des COOLAR-Systems zuversichtlich. Ebenso, dass die vergleichsweise tiefen Produktionskosten ein sehr attraktives Pricing ermöglichen werden. Ein attraktiver Preis des Kühlschranks wird für dessen Verbreitung in Regionen mit Unterversorgung ganz wesentlich sein.

Der seif-Preis für Social Entrepreneuership ehrt das grosse Engagement der Gründerin Julia Römer und ihres Teams. Mit dem Preis wollen die Jury-Mitglieder das COOLAR-Team ausdrücklich ermutigen, die anstehenden Entwicklungsschritte weiterhin unbeirrt anzupacken und das Vorhaben voranzutreiben.

Das Team rundum Julia Römer ist mutig unterwegs. Die Jury ist überzeugt, dass es auch die künftigen Hürden meistern wird.

Die seif Jury wünscht COOLAR von Herzen viel Erfolg!

Monika Binkert, Jury und Advisory Board Member seif

18. 03. 2017

Mit gängigen Mustern brechen - Führung muss neu gedacht werden.

Noch immer klammern wir uns stark an die Vorstellung, Unternehmen und Organisationen als lebendige Systeme könnten rein rational und im Rahmen der funktional ausgerichteten Organisationsstrukturen gesteuert werden. Die Erfahrung zeigt indes, dass die Problemlösungs- und Eskalationslogiken traditioneller Führungsmodelle den heutigen Anforderungen je länger je mehr nicht gerecht werden. Die Steuerungsinstrumente der klassischen Unternehmensführung versagen in den komplexen Organisationssystemen von heute schlichtweg.

Führung muss neu gedacht werden. In den letzten Jahren sind in Praxis und Forschung neue Führungsansätze entwickelt worden und zahlreiche Initiativen rund um die Themen Neues Arbeiten und neue Führungsmodelle entstanden.

Einen besonders spannenden Ansatz verfolgen die Managementforscher Wüthrich/Osmetz/Kaduk. Seit Jahren begleiten die Forscher Managerinnen und Manager bei (Führungs-)Experimenten. Sie haben über 600 Interviews mit Unternehmensverantwortlichen geführt, die neue Wege gehen, und zeigen auf, was und vor allem wie man von diesen «Musterbrechern» lernen kann.

Führung braucht keine neuen Methoden, sondern neues Denken – dies eine der zentralen Aussagen der Forscher. Eine weitere Kernaussage: Komplexität kann nicht reduziert werden und verlangt umgekehrt Vielfalt und neue Denkansätze.

Versucht man die Ansätze, Haltungen und Prämissen der Musterbrechenden auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, dann lassen sich Gemeinsamkeiten erkennen, so wie zum Beispiel:

  • Musterbrecher sind begeistert, denn nur Begeisterte können begeistern.
  • Sie gehen davon aus, dass Exzellenz nur im angstfreien Raum entstehen kann.
  • Sie suchen Lösungen im Dialog und setzen auf kollektive Intelligenz.
  • Sie setzen wenige harte Pole im Sinne von Vorgaben und Regulierungen und geben maximale Freiheit.
  • Sie haben Mut zum Experiment.
  • Und: Sie verfügen über eine hohe Reflexionsfähigkeit und zeichnen sich durch eine hohe Beziehungsqualität aus.

Führungsverantwortliche, die neue Wege gehen, stehen für ein positives Menschenbild: Menschen wollen leisten, sie streben nach Weiterentwicklung, wollen kreativ sein und Verantwortung übernehmen. Menschen sind grundsätzlich intrinsisch motiviert, d.h. sie tun die Dinge um ihrer selbst Willen und nicht, um eine Belohnung zu erlangen oder eine Bestrafung zu vermeiden. Und genau dieses Einstehen für ein positives Menschenbild scheint mir das Entscheidende und Zukunftsweisende, wenn es darum geht, neue Ansätze und Modelle in der Führung zu entwerfen.

Quelle: Musterbrecher. Führung neu leben, Hans A. Wüthrich, Dirk Osmetz, Stefan Kaduk, Wiesbaden 2006. Weitere Informationen zu finden auf Musterbrecher und youtube.com

Monika Binkert

20. 02. 2016

Empowerment – Mitarbeitenden die Bühne überlassen

Mit Empowerment (von engl. empowerment – Bevollmächtigung, Ermächtigung) wird ein Handlungskonzept bezeichnet, dass auf die Stärkung der Selbstbestimmung von Menschen abzielt und diese ermutigt, die eigenen Ressourcen und Potenziale zu nutzen und auszuschöpfen. Empowerment hat seine geschichtlichen Wurzeln in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 1950- und 1960er Jahre. In den 70er Jahren hielt das Konzept in anderen Gesellschaftsbereichen Einzug, so zum Beispiel im Behinderten- und im Konsumbereich, in der Sozialen Arbeit, der Psychiatrie oder der Entwicklungszusammenarbeit.

In der Arbeits- und Organisationspsychologie taucht der Begriff erstmals in den 90er Jahren auf und intendiert in erster Linie eine Neuverteilung der Verantwortlichkeiten im Unternehmen. Empowerment meint dabei nicht bloss die Delegation von Aufgaben von einer Hierarchiestufe auf die nächst tiefere Ebene, sondern zielt vielmehr auf eine grundlegende Verlagerung und Übertragung von mehr Verantwortung, Kompetenzen und Gestaltungsspielraum an Teams oder einzelne Mitarbeitende ab: Empowerment erweitert den Aktionsradius von Mitarbeitenden und überlässt diesen sozusagen die Bühne.

Empowerment hat vielerlei Effekte: Das Management wird entlastet, Hierarchie und Bürokratie werden abgebaut und Teamwork gefördert. Empowerment spornt vor allem aber an. «Empowerte» Mitarbeitende sind in hohem Mass motiviert und produktiv; sie finden Sinn in ihrer Arbeit, schöpfen ihre Talente und Potenziale aus und laufen zu Höchstform auf. Dies ist die wohl wunderbarste Wirkung von Empowerment.

Woran erkenne ich nun, dass ein Unternehmen eine Kultur des Empowerment lebt? Drei Merkmale stehen im Vordergrund (nach Blanchard):

  • Alle Mitarbeitenden verfügen über ein hohes Informationsniveau und umgekehrt werden Informationen bei ihnen abgeholt (share information and listen for information)
  • Die Zuständigkeiten sind klar und die Zuständigkeitsgrenzen weit definiert, um möglichst viel Autonomie und Verantwortung zu schaffen (widen bounderies to create more autonomy and more responsibility)
  • Hierarchie wird wenn immer möglich durch selbstorganisierte und selbstverantwortliche Teams ersetzt (let teams take on more hierarchical roles)

So einleuchtend und kraftvoll der Empowerment-Ansatz ist, in nur wenigen Unternehmen ist er Alltagsrealität. Woran mag das liegen? Zum einen fehlt es nicht selten am nötigen Vertrauen des Managements in die Fähigkeiten und Talente der Mitarbeitenden. Zum andern, so meine häufige Beobachtung, sind Führungskräfte ungern bereit, Verantwortung und – damit einhergehend auch – Macht zu teilen oder abzugeben. Statt den Mitarbeitenden und Teams die Bühne zu überlassen, steht das Management lieber selbst im Scheinwerferlicht.

Monika Binkert

14. 03. 2015

Die Kunst der Selbstführung

Die Anforderungen an Führungskräfte im Berufsalltag sind hoch – in Bezug auf die Leadership-Qualitäten, die kommunikativen Fähigkeiten und andere essentielle «social Skills» wie Empathie, Konfliktfähigkeit, Verhandlungsgeschick etc.

Im rastlosen Alltag zu kurz kommen darob gerne die Aspekte der Selbstkompetenz, die Fähigkeit also, sich selbst zu führen und sich bei all den Erwartungen und Leistungsansprüchen persönlich Sorge zu tragen. Wer seinen eigenen Ressourcen zu wenig Aufmerksamkeit schenkt, läuft Gefahr, abzustumpfen und sich über kurz oder lang zu erschöpfen. Es stellen sich Motivationsprobleme ein, Freude und Spass an der Arbeit gehen verloren, Ideen und Kreativität bleiben aus. Der Alltag wird zunehmend als sinnentleert erlebt.

Wer sich selbst bewusst führt und in Bezug auf seine Kräfte achtsam bleibt, kann Gegensteuer geben und Motivation, Inspiration und einen hohen Spassfaktor in der Führungsarbeit auf einem hohen Niveau halten. Zentral wichtig sind dabei drei Dimensionen:

  • Werteorientierung: Ein Führungsverhalten, das auf einer ethischen Grundhaltung und einem Wertegerüst basiert, dem ein positives Menschenbild zugrunde liegt und das von Respekt, Vertrauen und Wertschätzung geleitet ist, stiftet Identität und hilft, gerade in schwierigen Situationen oder Krisenzeiten Orientierung und Klarheit zu behalten.
  • Selbstreflexion: Die kritische Auseinandersetzung mit sich selbst bildet einen zentralen Schlüssel erfolgreicher Selbstführung. Je besser ich meine Stärken kenne und um meine Begrenzungen weiss, desto weniger laufe ich Gefahr, Aufgaben zu übernehmen, für die ich mich im Grund nicht eigne und die ich nur mit einem übergrossen Energieaufwand bewerkstelligen kann. Wenn bei der Aufgabenerfüllung die eigenen Stärken und Talente zum Zuge kommen, sind Sie als Führungskraft nicht nur motiviert, sondern vor allem auch kreativ und in hohem Masse leistungsfähig. Der Anspruch, jeden Tag dazuzulernen, ermöglicht zudem Entwicklung und persönliches Wachstum.
  • Entspannung und Erholung: Erst Ruhe- und Entspannungsphasen ermöglichen eine hohe Leistungsfähigkeit. Die intellektuellen und körperlichen Ressourcen sind nicht endlos. Wir alle brauchen Erholung und die Beschäftigung mit ausserberuflichen Themen. Sich anderen Interessen hingeben macht den Kopf frei und schafft Raum für andere, neue Ideen, relativiert die Beanspruchung im Berufsalltag und sorgt für Ausgeglichenheit. Sportliche Betätigung und Erlebnisse in der Natur sind für die Regeneration und als Energiequelle bekanntlich besonders wirkungsvoll.

Text: Monika Binkert
Bild: Christof Vetsch

25. 10. 2014

«Wir müssen ein Umfeld schaffen, in dem Verletzlichkeit nicht als Bürde, sondern ...»

Auf die Frage, welche Massnahmen er nach dem Freitod des CFO Zurich Versicherungen getroffen habe, damit sich eine solche Tragödie nicht wiederholt, äussert sich der seit Herbst 2013 amtierende Verwaltungsratspräsident Tom de Swaan wie folgt:

«Es geht weniger um Massnahmen als um die Unternehmenskultur. Wir müssen als Chefs eine Atmosphäre schaffen, in der Mitarbeiter sich selbst sein können. Nur so können sie volle Leistung bringen. Und die ist nötig, dazu stehe ich. Im Topmanagement von grossen Konzernen zu arbeiten, ist stressig. Das jeweils übergeordnete Management muss die Prozesse so organisieren, dass Belastungen zu bewältigen sind. Es braucht Empathie, soziale Kompetenz, eine Beziehung zu den Mitarbeitern. Es braucht offene Türen, dass Mitarbeitende mit ihren Problemen zu den Chefs gehen. Wir müssen ein Umfeld schaffen, in dem Verletzlichkeit nicht als Bürde, sondern als Asset betrachtet wird.»

Aus: Interview mit Tom de Swaan, NZZ am Sonntag vom 26. Oktober 2014

08. 02. 2014

Führen in Krisen – Führung in schwierigen Zeiten

Krisen im Unternehmen treten meistens nicht schlagartig von einem Tag auf den anderen ein. Sie kommen vielmehr langsam schleichend und werden oftmals erst dann wahr- oder ernst genommen, wenn die «Zahlen» nicht mehr stimmen – wenn die Geschäftsmarge am Schrumpfen ist, sich Liquiditätsengpässe einstellen oder das Jahresergebnis gar in den roten Bereich gerutscht ist. Die finanziellen Probleme sind nurmehr Symptome, Ursachen von Krisen sind nach meiner Erfahrung oftmals strategische Defizite und eine wenig motivierende Führungskultur. Krisen bedeuten Wendepunkte, bei denen die Überlebensfrage im Raum steht und grundlegende Veränderungen dringlich sind. Krisen bergen gleichzeitig aber auch Chancen, das Geschäftsmodell zu überdenken, sich neu auszurichten, sich in der Führung neu zu organisieren und die Unternehmenskultur in eine neue Richtung zu prägen. Für eine erfolgreiche Krisenbewältigung sind m.E. folgende sechs Elemente von eminenter Bedeutung:

  • Schonungslose Analyse: Die Situation des Unternehmens gründlich und ehrlich auf Stärken und Schwächen/Marktchancen und -risiken hin analysieren und vor allem die konkreten Problemtreiber identifizieren. Die finanzielle Situation und insbesondere die Entwicklung der Liquidität genau analysieren.
  • Strategie und Massnahmenpaket: Die Strategie und das Geschäftsmodell überprüfen, anpassen und die Wettbewerbsvorteile entlang der ganzen Wertschöpfungskette konsequent stärken. Ein griffiges Massnahmenpaket zur Strategieumsetzung schnüren. Bei Liquiditätsengpässen Überbrückungsfinanzierungen organisieren.
  • «People are Key»: Die erfolgskritischen Funktionen mit den besten Führungskräften und MitarbeiterInnen im Unternehmen besetzen. Sich nicht scheuen, sich von schwachen Führungskräften zu trennen.
  • Kommunikation und Leadership: Den Ernst der Lage klar kommunizieren. Jede Gelegenheit nutzen, Strategie, Massnahmen und die Dringlichkeit von Veränderungen zu vermitteln und deren Sinn und Nutzen aufzuzeigen. Die Mitarbeitenden im Unternehmen beteiligen, Verantwortung übertragen, loben und anerkennen. Zuversicht vermitteln und Veränderungen vorleben.
  • Entwicklung eng begleiten, Zwischenerfolge feiern, Gelerntes verinnerlichen: Ständiger Soll-Ist-Abgleich, insbesondere die finanzielle Situation eng überwachen. Zwischenerfolge feiern, nicht aber locker lassen. Die Erfolge konsolidieren, Gelerntes etablieren und die Widerstandsfähigkeit und Krisenfestigkeit („Resilienz") aufrecht erhalten.
  • Sich Sorge tragen: Krisenbewältigung ist Hochleistungssport. Die Verantwortlichen sind besonders gefordert und sollten sich und ihrem Umfeld entsprechend Sorge tragen. Selbstreflexion und der bewusste Umgang mit den eigenen Ressourcen sind in diesen Zeiten ausserordentlich wichtig. Interne oder externe SparringpartnerInnen können sich dabei als wertvolle Unterstützung erweisen.

Text: Monika Binkert

Bild: Christof Vetsch

16. 03. 2013

«Vertrauen in Vertrauen (...) In einer unsicheren Welt wächst der Bedarf an Vertrauen rasant.»

«Je komplexer die Welt ist, desto wechselwirksamer sind Entscheidungen und Handlungen im Unternehmen – und desto notwendiger ist das Vertrauen in das Vertrauen. Der Vertrauensmechanismus senkt nicht nur die Kosten des Zusammenarbeitens, sondern ermöglicht erst Kooperation, die ohne Vertrauen gar nicht oder nur zu sehr hohen Kosten zustande käme. (...) In einer unsicheren Welt wächst der Bedarf an Vertrauen rasant. Vertrauen eröffnet Entwicklungsmöglichkeiten, schafft Gelegenheiten für gemeinsames unternehmerisches Handeln.»

Aus: Reinhard K. Sprenger, An der Freiheit des anderen kommt keiner vorbei, Campus Frankfurt/New York 2013

14. 07. 2012

Die zwei Dimensionen strategischer Führung

Das Unternehmen über den operativen Alltag hinaus strategisch zu führen ist heutzutage auch für KMU unabdingbar. Strategische Führung ist ein rational-analytischer Prozess, vor allem aber auch eine Leadership-Aufgabe.

Wie strategische Führung in KMU wirkungsvoll etabliert werden kann, zeige ich im Beitrag im KMU Magazin 6/2012.

Text: Monika Binkert
Bild: Christof Vetsch

17. 03. 2012

Leadership als Antreiber von Kulturwandel

Leadership beschleunigt den Kulturwandel im Unternehmen, bündelt die Kräfte im Hinblick auf die zu erreichenden Ziele und erhöht damit die Leistungsfähigkeit und Wirkung jedes Unternehmens.

Mitarbeitende sind grundsätzlich bereit, ein hohes Mass an Verantwortung zu übernehmen, sie streben nach Weiterentwicklung und ständiger Verbesserung. Dieses Potenzial gilt es zu nutzen und die Führungsarbeit konsequent danach auszurichten. Empowerment, das heisst Inspirieren, Ermutigen, Stimulieren und Wertschätzen sind aus der Sicht der Führungskraft die Komplementäre zu den Potenzialen der Mitarbeitenden und sozusagen die Zauberworte von Leadership. Sie unterstützen die kreative Entfaltung der Mitarbeitenden, erhöhen deren Innovationskraft, erzeugen Commitment und Teamspirit und ermöglichen den Menschen, anspruchsvollste Aufgaben zu erfüllen.

Monika Binkert

04. 02. 2012

Vision - Leitstern für Entwicklung, Sinnstifterin und Motor

Vision und Werte bilden die übergeordneten Rahmenvorgaben von Unternehmen und Organisationen. Die Auseinandersetzung und Klärung der Vision und Werte sind unerlässlich. Denn: Wer sich den grundlegenden Fragen nicht stellt oder sich in diesen nicht einig ist, wird früher oder später von diesen eingeholt.

An den Anfang jeder Strategie ist die Vision zu stellen. Diese beschreibt das Zukunftsbild des Unternehmens, das angestrebt wird. Dieses Zukunftsbild soll attraktiv und möglichst konkret sein und sich gleichzeitig deutlich vom heutigen Status abheben. Die Vision bildet sozusagen den «Leitstern» für die zukünftige Unternehmensentwicklung. Sie ist die übergeordnete Leitplanke für sämtliche strategischen Aktivitäten und eine Orientierungs- und Entscheidungshilfe bei der Strategieumsetzung.

Eine gute Vision verleiht Kraft. Sie hat nicht nur richtungsweisende, sondern auch motivierende Funktion. Sie mobilisiert die Kräfte, erzeugt Begeisterung und Energie, vermittelt Sinn und gewisser Weise auch Sicherheit in Bezug auf die langfristige Ausrichtung der Unternehmung. Eine Vision erfüllt somit zwei wesentliche Kriterien: Sie schafft Orientierung und ist handlungsleitend, zugleich wirkt sie für die Menschen im Unternehmen sinnstiftend und motivierend.

Die Entwicklung der Unternehmensvision sollte weder als Pflichtübung angesehen, noch zu reinen Image- oder Marketingzwecken entwickelt werden. Die Vision schafft vielmehr die Möglichkeit, vertieft über Sinn und Existenzzweck des Unternehmens nachzudenken und sich über die Motivationen, Möglichkeiten und ureigenen Stärken im Klaren zu werden. In Zeiten des raschen Wandels ist dieser Reflexionsprozess enorm wertvoll, nicht nur weil er Orientierung und Klarheit bringt, sondern weil er auch Selbstvertrauen, Authentizität und Glaubwürdigkeit – nach innen und aussen – schafft und damit das Commitment aller Beteiligten stärkt.

Monika Binkert

23. 04. 2011

Die drei Perspektiven

Ein hilfreicher Denkansatz für Führungsverantwortliche zum besseren Verständnis der Funktionsweise der eigenen Organisation ist das Modell der drei Organisationsperspektiven, das an der Sloan Business School am MIT entwickelt wurde. Das Modell macht bewusst, dass Führungsverantwortliche ihr Unternehmen bzw. ihre Organisation stets auf unterschiedliche Art und Weise wahrnehmen. Im Vordergrund stehen dabei drei Muster, mittels denen wir Vorgänge im eigenen Unternehmen wahrnehmen und interpretieren:

  • das Unternehmen als strategisches System
  • das Unternehmen als politisches System
  • das Unternehmen als kulturelles System

Die strategische Perspektive hat in erster Linie eher formale Aspekte der Unternehmensführung wie die Aufbau- und Ablauforganisation im Blickfeld. In dieser Dimension werden Prozesse und Strukturen, ein reibungsloses Schnittstellenmanagement und der strategische Abgleich mit den Veränderungen in der Umwelt als wichtig angesehen. Führungsverantwortliche sehen sich als StrategInnen und «ArchitektInnen» der Unternehmensorganisation.

Die politische Perspektive stellt demgegenüber den Interessenausgleich, die Machtverteilung, das Bilden von Netzwerken und den Wettbewerb in den Vordergrund. Hauptbeschäftigung bilden Aushandlungsprozesse sowie das Bewältigen und Bereinigen von Konflikten. Führungsverantwortliche sind stark wettbewerbsorientiert und sehen sich in erster Linie als Schmiede von Koalitionen, als Verhandelnde und Interessenausgleicher.

Die kulturelle Perspektive schliesslich betont die gemeinsame Identität, die Tradition und die Gewohnheiten, die gemeinsamen Werte, die Einstellungen und Haltungen im Unternehmen. In dieser Perspektive werden Wertediskussionen, Geschichtsverständnis, Verhaltenskodices u.a. als wichtig angesehen. Führungsverantwortliche formulieren in dieser Dimension Visionen und engagieren sich für den Aufbau und die Pflege der Unternehmenskultur.

Wir neigen dazu, Organisationen durch je eine dieser drei Perspektiven oder «Linsen» zu betrachten. Diese Betrachtung formt die Art und Weise der Wahrnehmung, filtert auf je ihre Weise vorhandene Informationen und steuert die Aufmerksamkeit. Jede Dimension für sich alleine blendet Aspekte aus und erzeugt Verzerrungen. Eine solche einseitige Wahrnehmung kann gefährlich sein. Die Gründe sind offensichtlich: Wer beispielsweise bei Veränderungsprojekten einseitig die Aufmerksamkeit auf eher formale Aspekte wie Strukturen, Schnittstellenmanagement etc. richtet und die Bedeutung informeller Netzwerke ignoriert, läuft Gefahr zu scheitern, weil es an der Unterstützung von Schlüsselpersonen fehlt, die zwar über keine Macht in formaler Hinsicht verfügen, aber Einfluss auf die Meinungsbildung und Stimmung bei den Mitarbeitenden haben. Für Führungsverantwortliche ist es deshalb essentiell, sich allen drei Dimensionen bewusst zu werden und deren jeweilige Mechanismen und Präferenzen zu verstehen.

Aus: Monika Binkert, Strategische Führung für kleinere und mittlere Unternehmen, Master-Diplomarbeit Oktober 2010

Text: Monika Binkert
Bild: Christof Vetsch

15. 01. 2011

Freiheit, die ich mir nehme – Freiheit, die ich will!

«(...) Man muss sich die Freiheit schon auch nehmen. Man muss sie wollen. Sie ist auch anstrengend, weil sie mit Verantwortung und Risiken verbunden ist. Man kann sie unter dem starken Druck von Befehlen und dem sanfteren Druck des Konformismus preisgeben. Aber auch dann wird man sie nicht los. Hannah Arendt hat recht, wenn sie im Blick auf die NS-Zeit sagt: Man ist auch für seinen Gehorsam verantwortlich. Zum Freiheitsgebrauch kann Mut gehören. Es gehört aber auch dazu, dass man sich selbst wertschätzt. Dass man ein Individuum sein will. Es muss ja nicht immer ein unverwechselbares sein. Wahrscheinlich gilt die Faustregel, dass der Freiheitsspielraum stets grösser ist als der, den man nutzt (...).»

Ausschnitt aus der Rede von Rüdiger Safranski anlässlich des NZZ-Podiums vom 8. Dezember 2010 im Zürcher Schauspielhaus